Interview mit Martin Dreyer

Er hat schon viel in seinem Leben erlebt.

© Martin Dreyer via Facebook

Er war drogenabhängig, begegnete dann aber auf einem seiner Drogentrips Jesus und bekehrte sich. Er fing an in die Kirche zu gehen, doch irgendwie fühlte er sich dort nie so richtig wohl. Die Menschen dort waren alle anders gekleidet im Gegensatz zu ihm. Und auch die Orgelmusik war nicht so ganz seins - mal ganz ab gesehen davon, dass seine Freunde ihn nicht mehr so richtig verstanden. Was wollte er denn nur in der Kirche? Martin Dreyer überlegte sich dann, dass es doch eine Möglichkeit geben müsse, wie auch seine damaligen Freunde diesen Jesus, an den er glaubte, kennenzulernen. 1991 gründete deshalb die Jesus Freaks, einen Ort für Leute, die so waren wie er, wo sie so hinkommen konnten wie sie waren - auch mal nach einer durchzechten Nacht. Anfangs von den Amtskirchen nicht anerkannt und als Sekte bezeichnet, erfreute sich die Gruppe großen Zuwachses. Nach einigen Jahren erlitt Martin Dreyer einen Drogenrückfall und war wieder ganz unten. Orientierungslos und verwirrt, wurde er in eine Klinik eingewiesen, wo er auch im Koma lag. Es war ein langer schwerer weg zurück ins Leben, in ein Leben mit Jesus. Mittlerweile zieht er als Prediger, Sozialarbeiter, Suchtberater und Buchautor ("Volxbibel", "Jesus rockt", "Jesus Freak") durch die Lande. Letztes Wochenende war er erst beim Wacken Open Air, dem größten Metal-Festival der Welt, um dort zu predigen und Lesungen zu halten - die Kirche war bis auf den letzten Platz besucht, ca. 300 Leute fanden keinen Platz mehr in der überfüllten Kirche.


Beim Open Air Jugendabend in Chemnitz haben wir mit Martin Dreyer über seine Arbeit, über die Jesus Freak und über seinen Glauben gesprochen.


Zu Beginn stell dich doch mal bitte kurz vor, wer bist du?
Mein Name ist Martin Dreyer. Ich komme ursprünglich aus Hamburg und wohne jetzt aber in Berlin. Ich habe schon ziemlich viele Sachen gemacht in meinem Leben, verrückte und weniger verrückte. Studiert hab ich auch mal und als Kerzenmacher gearbeitet. 1991 habe ich die Jesus Freaks gegründet. Ich habe eine Frau und die süßeste Tochter der Welt.

Viele kennen dich ja aus der Jesus Freaks Szene, als Gründer dieser Bewegung. Was war eigentlich der Ausschlag dafür das zu gründen und was wolltest du damit erreichen?
Bei den Jesus Freaks war das so, dass ich selber auch aus so einer Szene komme. Als ich dann diesen Glauben entdeckt habe und festgestellt hab, dass es echt nichts cooleres gibt als mit diesem Jesus zu leben und an ihn zu glauben, musste ich doch feststellen, dass meine alten Freunde nicht so begeistert waren. Die dachten, ich wäre irgendwie in einer fiesen Sekte gelandet. Ich hab es irgendwie nicht geschafft, sie nur einmal mit in diese Kirche zu bekommen. Sie sagten immer, Kirche sei etwas spießiges und dass da doch nur Spießer hingehen und dass da immer nur Orgel läuft. Außerdem waren sie der Meinung, dass die Leute da nicht ihre Sprache sprechen würden und sie nicht ihre Probleme haben und sie deshalb nicht verstehen können. Da dachte ich; man es muss mal eine Gruppe geben, wo man so hingehen kann wie man ist, auch nach einer Party, wenn man mal angetrunken ist. Ein Ort, wo man nicht christlich vorgeprägt sein muss, wo es aber doch irgendwie um Jesus geht, denn den hatte ich ja entdeckt. Und aus diesem Gedanken sind dann eigentlich die Jesus Freaks entstanden.

Du hast ja nicht nur die Jesus Freaks gegründet, sondern du predigst und hast auch Bücher geschrieben. Was für Bücher sind das zum Beispiel?
Also eine Sache, die mir bei den Freaks auch wichtig war, ist dass ich irgendwie das Evangelium, wie man so schön christlich sagt, in einer Sprache rüberbringen wollte, die normale Menschen verstehen. Auch wenn man nicht christlich aufgewachsen ist. Und dieses Ding durchzieht eigentlich mein ganzes Leben. Wenn ich dann bei den Jesus Freaks gepredigt habe, dann hab ich das in einer normalen Sprache gemacht und nicht so fromm geredet. Und dann dachte ich irgendwann, es müsste eigentlich mal eine Bibel geben in so einer lockeren Straßensprache. Da habe ich mich da ran gesetzt und hab das Neue Testament verfasst. Das ist dann total abgegangen - wofür ich aber auch sehr kritisiert wurde. Aber letztendlich ist es durch die Kritik sehr bekannt geworden. Danach habe ich dann noch ein Buch über Jesus geschrieben, auch in so einer ähnlichen Sprache. Dort habe ich alles, was ich über Jesus weiß und was ich von ihm gelernt habe aufgeschrieben. Das Buch heißt „Jesus rockt“. Danach habe ich meine Lebensgeschichte aufgeschrieben. Das Buch ist letztes Jahr erschienen. Und jetzt habe ich einen neuen Vertrag, wo ich ein verrücktes Andachtsbuch schreibe. Titel wird sein die 24 Stunden Bibel. Das ist jetzt irgendwie ein Teil meines Jobs geworden - einmal im Jahr ein Buch.

Das bekannteste und wahrscheinlich auch am meisten kritisierteste Buch von dir ist die Volxbibel. Wie bist du mit der Kritik umgegangen?
Das war schon teilweise ganz schön heftig. Also schon bevor das Buch überhaupt auf dem Markt war, hatte ich irgendwelche Texte ins Netz gestellt. Da gab es dann sogar eine Protestwelle, wo ich teilweise 600 Mails pro Tag bekommen habe. Da standen fast nur so Sachen drin wie: „Herr Dreyer, sie sind ein Kind des Satans. Sie kommen aus der Hölle und wollen nur unsere Jugend verführen.“ Mir wurden schlechte Motive unterstellt, dass ich ja nur Geld verdienen und provozieren wollte. Aber das war ja gar nicht mein Anliegen. Ich wollte einfach das Evangelium in einer gut verstehbaren, lockeren und jungen Sprache übertragen. Als diese Kritikmails und Briefe dann so massiv war, habe ich gedacht, ich versuch alles was man sachlich beantworten kann auch sachlich zu beantworten. Also wenn jetzt jemand zum Beispiel kritisiert hat, die Volxbibel wäre voller Fäkalausdrücke, also so Worte wie Scheiße bauen. So was darf ja nicht in der Bibel stehen, weil das sprachlich nicht der Bibel gemäß ist. Dann kann man sachlich drauf antworten und sagen: „Du, es gibt eine Bibelstelle in Philipper 3 Vers 8, wo im griechischen Original steht: „Paulus sagt: Ich achte alles andere als Dreck, im Gegensatz zu dem was ich in Christus habe.“ Und dieses Wort Dreck, griechisch Skyballa, heißt nichts anderes als Kot oder eben Scheiße. Also mit anderen Worten; die Bibel ist sprachlich nicht so hoch gestochen, wie man das manchmal denkt. Das sind so sachliche Argumente, die ich dann dagegen setzten konnte. Aber wenn dann jemand nur geschrieben hat „Sie sind ein Kind des Satans“, da kann man sachlich nicht allzu viel darauf antworten. Und dann hab ich gedacht; Jesus meint, wir sollen die segnen, die uns fluchen. Also hab ich ihn gesegnet und geantwortet, dass ich ihm das allerbeste wünsche und ihn segne. Dann kam 3 Wochen gar nichts. Und dann kam; „Wie meinen Sie das?“ Darauf habe ich zurück geschrieben, dass ich das wie einen Fluch empfunden habe und darauf nichts sachliches zu antworten wusste. Deswegen hab ich ihn gesegnet, wie Jesus es sagt. Da kam wieder 3 Wochen nichts und dann schrieb er: „So dumm sind Sie ja gar nicht.“ Und es kam dann raus, dass er die Volxbibel noch nie gelesen hatte, sondern nur gehört hatte, dass da jemand erzählte, dass gerade eine ganz gotteslästernde Bibel auf den Markt gekommen sei und man müsste dagegen protestieren. Und das war bei vielen Kritikern so.


Die Kritik gab es ja nicht nur am Anfang von der Volxbibel, sondern ihr habt ja auch ganz am Anfang als Jesus Freaks viel Kritik erfahren. Die Amtskirche hat euch als Sekte bezeichnet. Das war doch sicherlich auch ziemlich schwer, oder?
Ja, das war natürlich so, dass wir in den ersten Jahren unglaublichen Zuwachs hatten und auch in der Presse ziemlich abgegangen sind. Da haben einige Landeskirchen und auch Freikirchen es ein bisschen mit der Angst bekommen, weil sie dachten, wir würden ihnen die ganzen Jugendlichen abziehen. Das wollten wir ja nie. Wir wollten ja nicht unbedingt Jugendliche haben, die schon in einer Kirche sind. Klar, dass die auch zu uns gekommen sind, das ist auch normal. Aber wir wollten vor allem Leute erreichen, die sonst nicht in die Kirche gehen und das hab ich denen dann auch versucht rüber zu bringen. Mittlerweile kann ich eigentlich sagen, dass es ein gutes Miteinander gibt. Die haben entdeckt, was wir wollen und was wir nicht wollen und so ist es auch umgekehrt. Wir haben entdeckt, dass wir die alten Kirchen brauchen, dass wir die Erfahrung und die Seelsorge brauchen. So kann man ganz gut voneinander profitieren. Wir sind diejenigen, die neue Ideen einbringen und Sachen hinterfragen und sie sind diejenigen von denen wir theologisches Fachwissen, Hintergründe und halt so Basics lernen können. Es gibt immer mehr Jesus Freaks Gruppen, die mit etablierten Gemeinden zusammenarbeiten, wie z.B. in Borgentreich, da arbeiten wir mit der koptischen Kirche zusammen. Das ist ein gutes Miteinander.

Zwischen der Gründung der Jesus Freaks und der Volxbibel und jetzt dem letzten Buch war es eine Zeit lang ziemlich ruhig um dich geworden. Magst du vielleicht kurz was dazu erzählen?
Ich hab eine sehr harte Wüstenzeit gehabt. Die ging Ende der neunziger Jahre los, Ende 1997 etwa. Da merkte ich, ich kann nicht mehr. Ich habe zu viel gearbeitet. Ich konnte nicht mehr schlafen, weil ich zu viele Projekte im Kopf hatte. Ich habe einfach zu viel Kirchenarbeit, Seelsorge und Predigten gemacht und nicht auf mich und meine Erholung geachtet. So der klassische Fehler halt, den viele Leute machen, einfach zu viel von allem. Dann wurde es ziemlich krass. Ich bin aus dem Dienst raus, habe wieder angefangen Bier zu trinken um nachts müde zu werden. Und dann kamen auch Drogenrückfällig dazu. Meine Frau ist abgehauen, hat sich einen neuen Partner gesucht und hat sich scheiden lassen. Und ich musste feststellen, dass ich kaum richtige Freunde in dieser Zeit hatte. Das war eine echt harte Zeit. Da hat Gott wirklich mein ganzes Leben unter einen Test gestellt und für mich war das wie ein Feuer durch das mein Glaube gehen musste. Nachdem ich da durch war, ist einiges verbrannt, aber anderes ist auch bestehen geblieben. Und das, was bestehen geblieben ist, ist eigentlich das, was mich und meinen Glauben heute ausmacht. Ich kann wirklich sagen, der Fels hat gehalten. Jesus hält auch in der Krise. Und ob man bei Menschen beliebt ist, Applaus bekommt und Erfolg hat, ist letztlich nicht das was dich trägt. Was trägt ist eine tiefe, stabile Beziehung zu Jesus. Er hat mich da durch getragen. Und nach all dem hat Gott mir noch viel mehr anvertraut, viel größere Aufgaben als vorher. Mit der Volxbibel erreiche ich unzählige mehr Menschen, als ich durch die Freaks jemals erreichen konnte.

Ist es für dich manchmal auch schwer mit der Bekanntheit deiner Person umzugehen?
Nö, eigentlich nicht. Ich merk das nicht so. Ich bin ja nicht wie Britney Spears, ich kann noch normal essen gehen. Klar, wenn man in christlichen Kreisen ist, kommt es dann schon vor, dass jemand sagt „Bist du nicht Martin Dreyer?“ Dadurch dass ich auch durch diese Wüste gegangen bin, hat Gott irgendwie auch mein Selbstwertgefühl auf eine neue Basis gestellt. Mir ist es echt nicht wichtig, ob Leute mich nun toll finden oder nicht, weil ich einfach weiß, dass das was hält der Glaube an Jesus ist und das ist wichtig. Darauf will ich mein Leben bauen.

Unser Blog heißt ja Burnin' Heart Reports. Was bedeutet für dich dein Glaube im Alltag und wie lebst du ihn?
Ich finde es wichtig, dass das Feuer im Herzen brennt und auch am Brennen gehalten wird. Und da gibt es jetzt mehrere Dinge, die ich dazu sagen könnte. Am liebsten würde ich jetzt einen einstündigen Vortrag darüber halten. Es gibt aber so ein paar Sachen, die wichtig sind. Man braucht ein paar Rituale als Christ. Das heißt, auch wenn das Panne ist regelmäßig in der Bibel zu lesen, jeden Tag versuchen zu beten. Ich versuch eigentlich immer mit Jesus zu reden. Egal ob ich mit der Bahn oder mit dem Auto fahre. Ich versuch immer das Gespräch am brennen zu halten, das ist wichtig. Predigten zu hören wäre eine zweite Sache. Sich immer neuen Input zu holen ist wichtig. Gemeinschaft mit Christen vielleicht das dritte. Ab und zu mal Festivals, Jugendveranstaltungen, Freakstock, Bücher lesen. Es gibt schon so ganz praktische Dinge, die jeder Christ tun kann um seinen Glauben am Brennen zu erhalten. Und wenn man merkt, dass das Feuer ausgeht, dass man sich da auch Hilfe sucht - einen Seelsorger zum Beispiel - und mit dem redet.

Unsere letzte Frage. Gibt es etwas was dir auf dem Herzen liegt, was du unseren Lesern mit auf den Weg geben möchtest?
Ganz spontan würde ich sagen; Leute besinnt euch wieder mehr auf Jesus. Wir reden viel in der Christenheit über Lobpreis und Theologie und allen möglichen Kram. Aber das Zentrum des Evangeliums finden wir nur in diesem Jesus. Und ich glaube die ganze Kirche Christi in Deutschland sollte sich wieder mehr um diesen Jesus drehen, sich mit ihm beschäftigen, mit seinen Aussagen und mit ihm als Person. Ich glaube, da würden wir Einheit wieder finden und wieder neu in Brand gesetzt werden. Für sein Evangelium und für das was er sagt.

Vielen Dank für das Interview.


Martin Dreyer auf dem Wacken 2013 - Metal Church


Martin Dreyer bei Unter Uns im MDR Fernsehen  
Martin Dreyer im Interview auf dem Freakstock 2011   



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