Osterspecial: Der goldene Kelch (Teil 2)


Der goldene Kelch (Teil 2)
von Max Lucado

Aus dem Kelch strömte immer noch der verführerische Duft, er versprach Macht und Genuss. Doch für den Sohn des Lichtes war es ein widerwärtiger Gestank. Der Anblick des Kelches erregte den Sohn so sehr zum Zorn, dass er ihn aus der Hand des Versuchers schlug. Die beiden standen sich gegenüber und blickten sich feindselig an.
Ich werde das Gift trinken“, schwor der Königssohn, „Dazu bin ich gekommen. Doch die Stunde dafür bestimme ich!
via
Schließlich kam diese Stunde. Ein letztes Mal ging der Sohn zum Vater. Er suchte ihn in einem Garten auf, in einem anderen Garten. Einem Garten mit knorrigen Bäumen und steinigem Boden.
Gibt es keine andere Möglichkeit?
Nein, nur diese.
Gibt es niemanden sonst, der es tun könnte?
Der König schluckte. „Nein, nur du!
Muss ich wirklich diesen Kelch trinken?
Ja, mein Kind, diesen Kelch!
Er blickte den Prinz des Lichts an. „Die Finsternis wird groß sein.“ Er hielt seine Hand über das reine Gesicht seines Sohnes. „Der Schmerz wird schrecklich sein!“ Dann machte er eine Pause und ließ seinen Blick über sein verdunkeltes Reich gleiten. Als er den Sohn wieder ansah, standen ihm Tränen in den Augen. „Nein, es gibt keine andere Möglichkeit!
Der Blick des Sohnes war auf die Sterne gerichtet, als er die Antwort gab. „Dann soll es geschehen!
Die Worte, die den Sohn töten würden, kamen ihm nur langsam über die Lippen: „Stunde des Todes, Zeit des Opfers, es ist soweit. Unzählige Male geübt auf nachgebildeten Altären mit Ersatzlämmern- die Stunde der Wahrheit ist gekommen. Ihr Soldaten, glaubt ihr wirklich, dass er von euch abgeführt wird? Ihr Stricke, glaubt ihr wirklich, dass er von euch festgebunden wird? Ihr Menschen, glaubt ihr wirklich, dass euer Urteil ihn verdammt hat? Er folgt nicht eurem Gebot. Er schreit nicht, weil ihr ihn schlagt. Er folgt allein meiner Stimme. Allein meine Verdammnis fürchtet er. Und er tut es zur Rettung eurer Seelen. Oh mein Sohn , mein Kind. Schau mir noch einmal in die Augen, bevor ich mich von dir abwende. Höre noch einmal meine Stimme, bevor ich verstumme. Ach, wenn ich doch dich und sie retten könnte. Aber sie können weder hören noch sehen.
Der Lebende muss sterben, damit die Sterbenden leben. Die Zeit ist gekommen, das Lamm zu schlachten. Hier ist der Kelch, mein Sohn. Der Kelch der Leiden. Der Kelch der Sünde.
Schlag zu, Hammer. Vollbringe dein Aufgabe. Deine Schläge soll man im ganzen Universum hören. Richtet ihn hoch auf, Soldaten. Erhebt ihn auf den Sohn der Gnade. Hier muss er sterben. Erhebt ihn hoch über die Menschen, die seinen Namen fluchen. Und nun rammt den Stamm in die Erde. Befestigt ihn tief im Herzen der Menschheit. Tief in den Schichten der vergangenen Zeiten. Tief in den Nährboden der Zukunft.
Gibt es keinen Engel, der meinen Isaak rettet? Gibt es keine Hand, die den Erlöser erlösen kann?
Hier ist der Kelch, mein Sohn. Trink ihn allein!
Ich glaube, dass Gott weinte, als er tat, was er tun musste. Alle Lügen, alle Verführungen, alle Taten, die im Schatten vollbracht wurden, befanden sich in diesem Kelch. Langsam, heimtückisch, breiteten sie sich im Leib des Sohnes aus. Der letzte Akt der Menschwerdung.
Das reine Lamm war voller Makel. Die Flammen begannen seine Füße zu verzehren. Der König gehorchte seinem eigenen Befehl. „Dort, wo das Gift ist, wird der Tod sein! Dort, wo der Kelch ist, da wird das Feuer sein!
Der König wandte sich vom Prinz ab. Der unverhüllte Zorn des Vaters, der die Sünde hasste, traf den Sohn. Das Feuer verzehrte ihn. Der Sohn blickte zum Vater auf, aber der Vater war nicht mehr zu sehen.
Mein Gott, mein Gott … warum?

Im Thronsaal war es dunkel und still. Der König hielt die Augen geschlossen.
Im Traum befand er sich wieder in diesem Garten. Der kühle Abendwind strich über den Fluss, während die drei miteinander spazieren gingen. Sie sprachen über den Garten … wie er war, wie er sein würde.
Vater …“, setzte der Sohn an.
Der König horchte diesem Wort nach. VATER – VATER.
Das Wort war wie eine Blume, wie eine zarte Blüte, die leicht zerstört werden kann. Ach, wie sehr er sich danach sehnte, dass ihn seine Kinder wieder Vater nannten!
Ein Geräusch weckte ihn aus seinem Traum. Er öffnete die Augen und sah eine leuchtende Gestalt in der Tür.
Es ist vollbracht, Vater. Ich bin wieder zu Hause!


Aus dem Buch: Ein Tag, der alles veränderte (Leben in der Kraft des Kreuzes)
Von Max Lucado
Das Buch ist leider bereits vergriffen. Weitere Artikel von Max Lucado findest du hier.

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